2. Februar 2014

Varianten des Imperativs

Ist der kategorische Imperativ von Immanuel Kant noch aktuell?

Nachfolgender Text ist ein Auszug aus einem größeren Text, an dem ich noch einige Zeit werde arbeiten müssen. Mein Anliegen ist der Brückenschlag zwischen dem Idealismus eines Immanuel Kant und aktuell disktutierten Themen namhafter Philosophen. Die Hintergründe beziehe ich aus diversen Zeitschriften zum Thema und eigenen Recherchen.
Dieser Text ist als Einstieg in das Thema gedacht. Es handelt von Kants kategorischem Imperativ und seinen Varianten. Zwei bedeutende Philosophen unserer Zeit, Derek Parfit und Thomas Scanlon, lieferten Varianten dieses Imperativs und transpotieren ihn damt in unsere Zeit.
 
Von Peter Killert.
 
Wir kennen ihn alle. Aus der “Grundlegung zur Metaphysik der Sitten” ;-) Genau. Das sind die Bücher, die wir alle nebenbei in den Werbepausen des Privatfernsehens lesen ;-)
 
Dort schreibt Immanuel Kant:
 
“Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.”
 
Kant selbst hat diesen Satz mehrfach variiert.
 
“Handle nach der Maxime, die sich selbst zugleich zum allgemeinen Gesetze machen kann.”
 
oder
 
“Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.”
 
Eine ganz einfache Variante lernt man in einem guten Kindergarten. Ab einem bestimmten Alter ist ein Mensch in der Lage folgende Vereinfachung des kategorischen Imperativs zu verstehen:
 
“Was Du nicht willst, das man Dir tut, das füg´ auch niemand anderem zu!”
 
Oder, wenn es dann in die weiterführende Schule geht.
 
“Meine Freiheit endet dort, wo die Freiheit des anderen anfängt.”
 
Jetzt gibt es zwei Varianten, die sich führende Philosophen ausgedacht haben und die Folge einer langen Auseinandersetzung mit dem Thema ist.
 
“Jeder sollte Prinzipien folgen, die niemand vernünftigerweise zurückweisen kann.” (Thomas Scanlon)
 
“Ein normatives Prinzip muss nicht durch etwas anderes verifiziert werden.” (Derek Parfit)
 
Thomas Scanlon
Diese Sätze sind augenscheinlich kürzer als das Original, auf der einen Seite etwas weniger »sperrig«, auf der anderen aber ragt ein Wort heraus, das Kant nicht verwendet hat. Das »Prinzip«. Parfit fügt noch das Prädikat »normativ« hinzu.

 

Gehen wir aber zunächst auf das "verifiziert" ein. Die Philosophen sprechen von "Verifikation" also dem direkten logischen Beweis und von "Falsifikation", das ist der indirekte Beweis durch logische Darlegung, dass das Gegenteil nicht zutreffen kann. Parfit sagt, dass ein normatives Prinzip (eine sehr klug in die Gegenwart transportierte Definition des "Kategorischen Imperativs") durch nichts anderes verifiziert werden muss. Das bedeutet: das normative Prinzip hat eine Allgemeingültigkeit, die aus sich selbst heraus rechtfertigt. "Die Würde des Menschen ist unantastbar" beispielsweise ist so ein Prinzip. Es ist völlig einleuchtend, dass die Verletzung menschlicher Würde dem menschlichen Dasein entgegenstrebt. Jederzeit. Ein Gebot wie "Du sollst nicht töten" hingegen steht da schon auf einer nicht ganz so soliden Grundlage, wenn man Verfechter der aktiven Sterbehilfe fragen würde.
Interessant wird es, wenn man solche Gebote, die als Prinzip gebraucht oder auch missbraucht werden, hinterfragt. Dieses Hinterfragen ist der Prozess der Normierung des Gebots. Es ist so, als würde der Anspruch unzähliger Individuen zu einer Formel finden, die diese Allgemeingültigkeit besitzt.
 
Derek Parfit
Aber jetzt zu dem eigentlich spannenden Begriff: "Das Prinzip" - Was ist so besonders daran? Ob und wie Kant das Wort »Prinzip« verwendet hat oder verwendet hätte - das wäre eine eigene Diskussion wert. Das »Prinzip« - im allgemeinen Sprachgebrauch oft mit der Phrase »... es geht mir um das Prinzip ...« genutzt - dürfte für Kant noch gar nicht relevant sein. Denn das Zeitalter der Aufklärung hatte sich ja zum Ziel gesetzt, dass Menschen Maximen verinnerlichen. Eine verinnerlichte, individuelle Maxime ist ein Prinzip. Genauer: zu Zeit Immanuel Kants hatten die Menschen noch keine individuellen Prinzipien. Es gab also keinen Anlass, so einen Begriff zu verwenden. Der individuelle Imperativ war noch gar nicht geboren.
 
Daraus ergibt sich aber wiederum ein anderes Problem: ist ein Prinzip individuell, wie kann es dann allgemeingültig sein? Die Antwort hat Derek Parfit und eröffnet damit einen neuen Ansatz auf den uralten kategorischen Imperativ: er ist normativ, d.h. er birgt in sich einen Anspruch. Parfit definiert diesen Anspruch auch gleich - er ist gültig und braucht durch nichts anderes verifiziert zu werden. Er ist sozusagen das abstractum atomar - eine nicht zerlegbare Abstraktion. Das Prinzip muss von allen Menschen als ein Prinzip verstanden sein.
 
Die spannende Frage ist nun: Gibt es das wirklich? Ja, aber nur im Kontext der Vernunft. Wer das Prinzip »rechts vor links« im Straßenverkehr nicht beachtet, hat ein Problem. Eine aus einem normativen Anspruch abgeleitete Regel ist ein Prinzip.

 

Was ist aber, wenn es an die wirklichen Abstraktionen geht? - »Wahrheit« oder »Freiheit«. Gibt es dort auch eine »shared vision« für alle Menschen, die nur eine Interpretation zulässt? Gibt es von der Perspektive unabhängige Abstraktionen?
 
(Und genau darum geht es in den dieser Einleitung folgenden Ausführungen. In Kürze mehr dazu ...)

Weitere Infos zu Thomas Scanlon und Derek Parfit.