19. März 2013

Ruhe

Für jemanden, der das nicht nachvollziehen kann, ist so ein Urlaub auf einer Insel vermutlich weltfremd. Kaum soziale Kontakte, kein Fernsehen, kaum Internet (beides vorhanden, aber nicht wichtig, denn beides nicht Mittel zum Zweck). Wenn es dann passiert, dass man eingeschneit wird, draußen ein Schneesturm tobt, der Fährverkehr zeitweise eingestellt wird, dann hat man einen Rückzugsort gefunden, den ein Mensch wie ich wirklich braucht. Gemütlichkeit, unglaubliche Ruhe und das Sich-Einlassen auf die Dinge, zu denen man sonst keine Zeit hat. Oder glaubt, keine Zeit zu haben.

Ich bin hier mit Katie Melua, den Soulsavers, mit Kate Bush und The National. Ich bin hier mit Ian McEwan und Derek Parfit. Ich bin hier mit dem großen Berg, über den man gehen muss, wenn man ein Drittel einer großen literarischen Idee schon fertig hat und sich jetzt herausstellen muss, ob sich die schweren roten Fäden, die man so großzügig in den ersten Kapiteln ausgelegt hat, leicht zusammenfügen lassen. Oder nicht. Man ist auch hier, mit der Bereitschaft, alles vielleicht fallen zu lassen. Das ist dann wie die große Düne, die zur grandiosen Aussicht führt und der Weg zu ihr ist mit einem Bohlenweg, auf ihm eine dicke rutschige Eisschicht liegt, nur schwer erreichbar. Kleine, ganz kleine Wagnisse. Und am Ende wird man belohnt - mit unendlicher Weite, klarster Luft und Ruhe. Hatte ich die Ruhe schon erwähnt?

Die Tür des Balkons des Schlafzimmers offen. Kurz vor dem Schlafengehen. Draußen piepen die Wattläufer, die bei einsetzender Ebbe ihr Futter finden. Die letzte Fähre dampft ab, der Leuchtturm wirft seinen monotonen, beruhigenden Lichtkegel auf die Bettdecke. Das sind die acht Nächte des Jahres, in denen ich am besten schlafen kann. Was wie das Klischee einer einsamen Insel anmutet ist wirklich so.

Nach wenigen Tagen ist die Batterie wieder aufgetankt. Dann sucht man nicht nur die unendliche Weite des Strands. Nein, dann gehe ich auch regelmäßig meine Kumpels besuchen. Acht Schafe. Auf einem Deich neben dem Hafen. Ihr Blöken ist wie eine Aufforderung. Zurück mit Dir in Dein Appartement. Du bist genug hier rumgelaufen. Zeit, den Berg zu erklimmen.

Kein Problem. Sieht im Moment zumindest so aus. Ergebnisse gibt es dann hier. Irgendwann. Zum Feinschliff komme ich sowieso nochmal hierher.


Ruhe