6. Dezember 2015

“Halt And Catch Fire” & “Mr. Robot”–Rezensionen

Ich schaue im Moment die vierte Staffel meiner persönlichen Lieblingsserie „Person Of Interest“. Das lange Warten bis zu dieser vierten Staffel habe ich mit zwei anderen Serien überbrückt, für die ich mal ganz dreist ein neues Genre definiere. Die Nerd-Serien „Halt And Catch Fire“ sowie „Mr. Robot“ sind gemeint. Letztere wird seit Wochen massiv bei Amazon Prime beworben. Beide Serien haben grandiose Highlights zu bieten - aber auch Schwächen. Hier ein kleiner Eindruck von einem Menschen, der etwas von der Materie zu verstehen glaubt.
Von Peter Killert.
 

HALT AND CATCH FIRE

Als Computer noch selbst gebaut werden konnten, eine Platine, ein paar Chips, Transistoren und ein Lötkolben ausreichten, da war es die individuelle Ingenieurskunst, die aus einem Computer einen Erfolg machte. Wer packt möglichst viel Technik auf wenig Platz, konstruiert ein Netzteil, das nicht überhitzt und produziert einen Computer, der denen der Konkurrenz überlegen ist? Die Zeit, in der „Halt And Catch Fire“ spielt, hielt solche Neuerungen noch sichtbar für Bastler und Nerds bereit. Heute sind die Technologien von damals Grundlage für eine Pointe nach der anderen. Neuerungen finden heute unter dem Mikroskop statt und sind nicht mehr sichtbar auf verlötbaren Elementen.


„Halt And Catch Fire“ erzählt den Aufstieg einer fiktiven Firma namens „Cardiff Electric“, die in der ersten Staffel versucht, den ersten tragbaren IBM kompatiblen Computer namens „Giant“ zu bauen. Die Serie platziert ihre Handlung Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre. IBM PCs sind auf dem Vormarsch, die grafischen Oberflächen sind noch unbesehen in den FutureLabs von Xerox oder in der Fantasie der damaligen Größen der Computerindustrie. Neben den zwei Hauptakteuren - die man durchaus als Persiflage auf Wozniak/Jobs verstehen könnte - spielt vor allen Dingen eine junge Informatikerin die herausragende Rolle. Sie bastelt ein BIOS (das ist die grundlegende Software-Ebene eines IBM PCs zur Steuerung der Hardware) und liefert überhaupt erst die Grundlage für die Expansion der Firma. Cameron Howe (gespielt von der brillanten Mackenzie Davies) ist die eigentlich treibende Kraft. Und sie entspricht so gar nicht dem Klischee eines weiblichen Computernerds - im Gegenteil. Die Macher der Serie haben nämlich sehr gut recherchiert. Dass die Informatik und die Computerindustrie eine Männerdomäne ist - das war nicht immer so. Viele grundlegende Produkte und Forschungen stammten bis in die 70er Jahre von Frauen. Eine Tatsache, die hier sehr schön dargestellt wird. Das ist überhaupt die große Stärke der Serie. Sie fängt die Zeit von damals so präzise ein - man sieht es an der Kleidung, den Möbeln, natürlich den Computeraccessories - dass man sich in seine frühe Kindheit zurückversetzt fühlt.
Klare Schwäche diese Serie: Jeder, der von dieser Zeit nicht irgendwie fasziniert ist, jeder, der nicht zumindest ein klein wenig selbst ein Nerd ist, wird spätestens nach der zweiten Folge abschalten. Denn auch die sehr gut mit dem Thema verzahnten persönlichen Abgründe der Protagonisten werden einen Nicht-Nerd nur schwer bei der Stange halten. Umso erstaunlicher ist es, das die zweite Staffel bereits angelaufen und eine weitere wohl in Arbeit ist. Denn am Ende der ersten Staffel ahnt man bereits, dass die Geschichte erst anfängt. Während „Cardiff Electric“ den Rechner auf der Messe „Comdex“ im Jahr 1983 präsentiert (damals die größte Computermesse der Welt) wird in einem Nebenzimmer in einem Hotel bereits der Prototyp eines neuartigen Rechners gezeigt, der wenige Wochen später alles auf den Kopf stellen wird ... .
 

MR. ROBOT

„Mr. Robot“ hingegen spielt im Hier und Jetzt. Die Serie spielt mit den zurechtbestehenden Ängsten, die man heute vor Überwachung und Datensammelwut haben muss. Im Mittelpunkt steht der Hacker „Elliott“, der tagsüber für eine Firma arbeitet, die sich mit dem Schutz von Daten großer Firmen beschäftigt. Eine dieser geschützten Firmen nennt sich „E-corp“ und ist überall gegenwärtig. Eine Hackergruppe namens „FSociety“ fasst einen unglaublichen Plan. Was würde passieren, wenn man alle wesentlichen Daten dieser großen Firma, die auch ein Global-Player im Finanzwesen ist, Löschen würde? Alle Schulden, alle Hypotheken, alle Vermögen - weg! Auf einen Schlag!
Untrennbar verbunden mit diesem Plan ist die Geschichte von Elliott und dem mysteriösen „Mr. Robot“, gespielt von Christian Slater, der Elliott als Anführer der „FSociety“ in seine Pläne einweiht und ihn als führenden Hacker gewinnt. Nur scheint es so, dass Elliott, extrem drogenabhängig und soziophobisch, nicht allzu viel davon mitbekommt und scheinbar wie eine Marionette agiert. Die psychischen Verirrungen werden immer undurchschaubarer. Am Ende der ersten Staffel ist der Betrachter genauso ratlos wie Elliott selbst. Das soll wohl Ziel der Handlung sein. Am Ende der ersten Staffel kann niemand erahnen, wie die neue Welt aussehen wird. Denn „Mr. Robot“ war tatsächlich erfolgreich - mit der zweiten Staffel wird eine neue Zeitrechnung beschrieben.
Die Serie besticht zeitweise durch unglaublich gute Monologe von Elliott. Wenn sich Elliott selbst als „Bug“ im System sieht, als Kopie eines Quellcodes, als jemand, der zwischen Virtualität und Realität nicht mehr unterscheiden kann, dann ist die Wortwahl und die Szenenmontage überaus raffiniert und beeindruckend. Die technische Verquickung mit den Widersprüchen in der Hauptfigur sind glaubwürdig und ausbaufähig. Aber auch hier gilt - wer nicht in der Materie drinsteckt wird nur die Hälfte der Handlung verstehen. Am Ende der ersten Staffel ist nicht entwirrt, sondern es ist zwingend eine Fortsetzung erforderlich. Es gibt zu viele Handlungsstränge, die entweder unnötig sind oder auf ihre große, geniale Entwirrung warten.

Beide Serien bleiben unter Beobachtung. Beide sind sehenswert und haben das Potenzial zu Mehr – mehr dazu dann in naher Zukunft … .