31. Mai 2014

SHERLOCK - Mehr als nur ein Phänomen

Die dritte Staffel läuft gerade und diverse Medien widmen sich dem Phänomen. Da bleibt das Kultur-Magazin nicht außen vor ;-) - Sherlock Holmes - in einer modernen, zeitgenössischen Fassung - hat nach einem spannenden Cliff-Hanger am Ende der zweiten Staffel knapp zwei Jahre Pause gemacht. Jetzt ist die Serie wieder da und startet bei Null. Mit alten Stärken und bewährtem Konzept.

Von Peter Killert.


Die beiden Hauptdarsteller, Martin Freeman (Doctor Watson) und Benedict Cumberbatch (Sherlock Holmes), sind extrem gefragt. Freeman als Hobbit, Cumberbatch als Bösewicht auf der Enterprise oder als Verkörperung von Julian Assange in »The Fifth Estate«. Wenig Zeit für neue Folgen der hochgelobten Sherlock Holmes Interpretation. Eine BBC Produktion, die andere Länder neidisch werden lässt. Es ist wirklich so - keine deutsche Serie kommt auch nur annähernd qualitativ an diese Serie heran. Was aber macht das Phänomen Sherlock aus?

Da sind zuerst die Geschichten von Arthur Conan Doyle. Sie bergen in sich die tiefgehende Ambivalenz des Kampfes von Gut gegen Böse. Dem Bösen lässt sich mit Schlussfolgerungen und Intelligenz beikommen. Das ist bei allen großen Geschichten so. Den Machern von Sherlock gelingt es, diese Ambivalenz vom alten ins neue London zu transportieren. Eine Stadt, die an sich schon Atmosphäre genug darstellt, wird zu einer restaurierten und vergrößerten Bühne. Neuer Vorhang, Lichteffekte und Perspektivenwechsel inklusive. Das geht so weit, dass alle Serien, die etwas auf sich halten, dieses Prinzip ehrfürchtig kopieren. Schauen sie mal, wie bei »House Of Cards« der Versand und der Empfang von SMS in Szene gesetzt werden ... .

Und wir kennen Sherlock Holmes und Doktor Watson. Wir erinnern uns an die S/W Filme aus den 40er Jahren mit Basil Rathbone als Titelheld. Dann die englische Serie mit dem unvergessenen Jeremy Brett. Und schließlich Robert Downey Jr. an der Seite von Jude Law in zwei hochgelobten Kinofilmen - Fortsetzungen sind in Arbeit.

Der Wiedererkennungswert des Dualismus von Sherlock und Watson ist entscheidend. Aber das ist nicht nur bei diesen beiden Protagonisten so. Was wäre Obi Wan Kenobi ohne seinen Padawan? Was wäre Don Quijote ohne Sancho Panza? Was wäre Hardy ohne Laurel? Hier ist es genauso, aber es wird noch gesteigert. Watson ist der Kontrast der Bodenständigkeit und wirft das Spotlight auf seinen Gegenpart. Und auf dessen Fähigkeiten.

Sherlock deduziert die Komplexität seiner Welt, seiner Zeit. Das ist eine Fähigkeit, die sich ein jeder heute wünscht. Sherlock kann es sich erlauben, seinen eigenen Charakter dieser Fähigkeit entgegenlaufen zu lassen. Der Charakter ist komplex, seine Wahrnehmung schwierig, aber die Lösungen, die er anbietet, sind phänomenal präzise. Selbst schwierig sein, aber Komplexität entwirren. Dazu noch Bewunderung seiner Umwelt. Ist das nicht ein idealer Charakter in unserer Zeit?

Jetzt fehlen nur noch Spannung und Witz. Die Zeiten sind doch vorbei, in denen wir glatte Plots haben wollen. Brauchte es früher nur eine schwarze, röchelnde Maske und ein Laserschwert, um die Ambivalenz von Gut und Böse in einem Film zu plakatieren, muss es heute vielschichtiger sein.

Für diese Vielschichtigkeit reichen exzellente Hauptdarsteller bei weitem nicht aus. Es sind eben auch die tollen Nebenfiguren, die besser nicht sein könnten. Der diabolische Gegenpart zu Sherlock namens Moriarty (Andrew Scott), die schrullige Mr. Hudson (Una Stubbs), die leckere Molly Hooper (Louise Brealey) oder die personifizierte Weiblichkeit der Irene Adler (Lara Pulver), die selbst ein scheinbar asexuelles Genie wie Sherlock aus der Reserve hervorlockt. Nicht zu vergessen den wohl ähnlich genialen Bruder von Sherlock, Mycroft Holmes (Mark Gatiss), ohne den die britische Regierung überhaupt nicht funktionieren würde.

Jetzt geht es weiter mit Sherlock. Und wenn es die Macher nicht übertreiben und weiter die gute Balance zwischen tollem, bewährtem Krimi-Stoff, Humor, Spannung und technisch-dramaturgischem Transport dieser Stärken in unsere Zeit halten, dann kann es so kommen, wie es Mark Gatiss, in einem Interview hat anklingen lassen: »Ich kann mir durchaus vorstellen, mit Sherlock alt zu werden.«

Das heisst dann wohl aber auch, nur alle zwei Jahre drei neue Episoden, denn die Terminkalender von Cumberbatch und Freeman sind voll ...