18. März 2014

Orpheus und Prometheus

Die verlorene Sage über das Gleichgewicht der Welten


Niemand erzählt bis heute die vergessene Geschichte von Orpheus und Prometheus, wie sie beide eine Chance bekamen, ihrem Schicksal zu entkommen. Wir kennen den einen - Orpheus -  als unglücklichen liebenden Dichter, der bei der Flucht aus der Unterwelt seinen Blick nicht von Eurydike abwenden konnte und so seine Liebe für immer verlor. Der andere - Prometheus - schenkte den Menschen das Feuer und wurde von Zeus bestraft. Zeus wollte den Menschen niemals das Feuer geben. Auf ewig ist Prometheus an einen Fels gekettet, wo ihm ein Adler täglich die ständig nachwachsende Leber aus dem Leib frisst.

Aber Athene, die Göttin der Weisheit, eine mit den Menschen mitfühlende Tochter des Zeus, hatte Mitleid mit dem Schicksal der beiden, denn es imponierte ihr, wie sie beide als Verkörperung von ewiger Liebe und glühender Erkenntnis, ihr Schicksal aushielten. Sie wollte beiden eine Chance geben und übertrug ihnen die Aufgabe, die selbst die Götter nicht zu lösen imstande waren.
Zeus nämlich erinnerte sich nicht mehr, ob bei der Schaffung der Welt, der Unterwelt und des Olymp, ein Gleichgewicht hinterlegt wurde, welches sich heute noch in allen Welten wiederfinden lässt. Er hatte über die Ewigkeiten hinweg vergessen, ob es wirklich so war und wenn ja, woraus dieses Gleichgewicht bestand.

So gab er Athene die Erlaubnis, Orpheus und Prometheus von ihrem Schmerz zu befreien, damit sich beide dieser Aufgabe widmen konnten. Es gab nur einen Ort, wo es eine Antwort auf die Frage nach dem Gleichgewicht geben konnte. Am Strand des großen Meeres der Ewigkeit und der Sehnsucht, unweit vom Eingang zur Unterwelt und in Blickweite des Olymp, versammelte sie die beiden Helden und gab ihnen diese große Aufgabe, mit der sie die Gunst des Gottvaters wiedererlangen konnten. Das gesuchte Gleichgewicht, so Zeus, ergab sich aus dem Zählen der Sterne am Himmel der Glückseligkeit über diesem Strand und dem Zählen jedes einzelnen Funken des Sternstaubes aus dem eben jener Strand bestand.
Athene hatte die Gabe, die Zeit anzuhalten. So legte sie diesen Strand und seinen Himmel in das unsichtbare Band der Zeitlosigkeit und ließ Orpheus den irdischen Sternenstaub und Prometheus die Lichter am Himmel zählen. Und irgendwann, nachdem eine Ewigkeit vorbei war, holte sie diesen Strand wieder zurück in die Welt und führte die beiden Helden vor Zeus, auf das sie ihr Ergebnis präsentieren sollten.

Jeder Funken Sternenstaub und jede Sonne am Himmel waren gezählt - würden die Antworten stimmen, so würde Zeus das Schicksal der beiden ändern können.

»Nun, Prometheus - wie viele Sterne sind am Firmament?« - Prometheus bauchte nicht nachzudenken. »Großer Zeus, es sind so viele Sterne am Himmel, wie wenn sich das Feuer, welches ich den Menschen schenkte, in einzelne Lichtblicke einteilen ließe.«
Und Orpheus wurde gefragt: »Nun, Orpheus, aus wie viel Sternenstaub besteht der Strand am Meer der Glückseligkeit?« - Auch Orpheus musste nicht lange nachdenken. »Jedes Staubkorn ist ein Liebesschwur für meine Eurydike, verloren in der Unterwelt.«

Zeus war mit den Antworten nicht zufrieden. Athene, die Göttin der Weisheit, verstand die Antworten. Und obwohl sich alles in ihr sträubte ihren Vater, den mächtigen Zeus, aufzuklären, gab sie ihre Meinung kund: »Vater, nun siehst Du welches Element, die Welten im Gleichgewicht hält.«

Aber weil Zeus das Gleichgewicht nicht erkannte, entließ er die beiden Helden nicht aus ihrem Schicksal. Orpheus taumelt nun wieder suchend nach seiner Eurydike am Ufer des Styx durch die Unterwelt und Prometheus wurde wieder an den Felsen gekettet. So leiden beide bis heute Schmerzen. Prometheus und Orpheus - so lange sie ihrem Schicksal ergeben sind und Gottvater Zeus das Gleichgewicht nicht versteht, wird dies immer so sein.

Leiden müssen die Helden für das, was sie den Menschen gaben. Das Gleichgewicht nämlich, der entflammte Sternenstaub am Meer der Glückseligkeit, nennt sich

'Liebe'.