21. September 2013

Mutti oder Stinkefinger-Peer?

Heute ist Bundestagswahl. Natürlich haben wir die Wahl. Aber nicht zwischen Mutti und Stinkefinger-Peer. Wir können - so ist das Wesen der Demokratie - für das politische Konzept abstimmen, dass der eigenen Auffassung, der eigenen Meinung, am nächsten kommt. Dass es keine Meinung gibt, die zu 100% einem politischen Konzept passt, ist einleuchtend.

Die Wahl ist ganz einfach. Es stehen ja nur zwei Konzepte zur Auswahl. Also wirklich zur Auswahl. Alles an Details drumherum ist Staffage, ist bestenfalls Nuance. Die Personen etwa, die die Konzepte verkörpern. Die Zahlen vermutlich, die sie präsentieren und die den Faktenchecks standhalten oder auch nicht.

Das eine Konzept ist das der Realisten. So ist der Mensch. So ist die Welt. Wir nehmen das hin und stimmen unser Konzept darauf ab. Der Mensch ist nicht gleich. Der Mensch ist egoistisch. Der Kuchen muss größer werden. Der lineare Impetus der Zeit ist der Fortschritt zu etwas Besserem. Bin ich Teil des Besserem, sind es andere nicht. Menschen, die das verinnerlicht haben erkennen Sie daran, dass diese ziemlich substanzlos behaupten, auch etwas Besseres zu sein. Realisten haben die logische, aber dennoch falsche Schlussfolgerung verinnerlicht, dass sich das Bessere quantifizieren lässt. Im eigenen Kontostand, einer Wachstumsrate oder im Schönrechnen von Statistiken. Unsere Zeit zeichnet sich dadurch aus, dass Materialismus und Realismus identisch zu sein scheinen.

Bundestagswahl 2013

Das andere Konzept ist das der Idealisten. Der Idealist sieht die Welt so, wie sein könnte, sein sollte, vielleicht sein muss. Der Kuchen braucht nicht größer werden. Es reicht, wenn wir unsere eigene Lebenszeit als nur für uns bedeutend und nicht für armselige Vergleiche von uns mit anderen verschwenden. Ich bin schon jetzt Teil des Besseren. Auch ohne dicke Geldbörse, auch ohne dickes Auto. Ich habe einen Platz gefunden, der mich beurteilen lässt, wie die Welt sein könnte. Die Schwierigkeit besteht nur darin, diese innere Einstellung auf die Gesellschaft zu übertragen. "Nur" ist hierbei ironisch gemeint. Auch wenn es immer nur einzelne Idealisten sind, die die Welt verändern - an einem unmittelbaren Gleichheitsprinzip, welches nicht als Gleichmacherei abgetan wird, sind noch alle Idealisten gescheitert.

Die entscheidende Erkenntnis: wie könnte der Idealist beurteilen, wie die Welt sein könnte, wenn er nicht schon längst wüsste, wie sie ist? Idealismus ist das was dabei rauskommt, wenn man Teil des Besseren ist … einleuchtend, oder? Realismus setzt den wahrhaftigen Idealismus voraus.
Wer es nicht glaubt, der mache sich auf die Suche nach einem Realisten, der mit seinen Idealen die Welt verändert hätte. Würde man ihn finden, so würde man ihn einen Idealisten nennen.
Das macht die Wahl nicht einfacher. Aber ... Idealisten gehen auf jeden Fall wählen.