7. Februar 2013

Was gut ist, polarisiert ...

Eine interessante These, die ich in den letzten Tagen mehrfach gelesen habe. Kann ich nicht ganz teilen. Ich würde sagen, etwas das polarisiert, ist wichtig. Ob es gut ist, ist eine Frage des subjektiven Urteils, des Geschmacks. Polarisierung bedeutet, dass sich Menschen aus konträren Sichtweisen Gedanken machen. Sich vielleicht näher kommen. Vielleicht beginnen, Argumente zu übernehmen. Zumindest zu verstehen. Polarisation ist Austausch. Ist sozial. Ist Menschlichkeit. Etwas, das ganz stark polarisiert ist HEAVEN, die neue Single von DEPECHE MODE. Sichtbar wird die äußerst unterschiedliche Wahrnehmung dieses neuen Songs in den Beiträgen der entsprechenden Foren. Man sei kein richtiger Fan, wenn man diese ungewöhnliche Ballade gut fände - oder - man habe keine objektive Wahrnehmung, wenn man sich den Song “schön hören” müsse. Die oftmals sehr langen Beiträge in den Foren zeigen, wie sehr sich die Fans mit dieser Frage beschäftigen. Je mehr sich also die Polarisierung in einem einzelnen Menschen zeigt, umso mehr Zeit verbringt er auch damit. Polarisation ist also auch in einem Teilaspekt der Selbstreflexion eine Ergründung des Ichs. In dem ich erkläre, warum mir etwas zusagt oder nicht, ergründe ich mich selbst. Polarisation ist also Selbsterkenntnis. Und Selbsterkenntnis ist die Basis des Handelns. Naja - sie sollte die Basis des Handelns sein … Bevor ich zum eigentlichen Kern dieses Postings komme, hören wir uns HEAVEN einmal an:

I dissolve in trust
I will sing with joy
I will end up dust
I´m in Heaven



Ob etwas zwischen diesen Extremen der Wahrnehmung hängt und das Potential hat, sich von der Gewöhnlichkeit zu erheben, hängt stark davon ab, ob die oder der Produzent des Gegenstands, der polarisiert, sich dessen bewusst ist. Der Gegenstand, über den diskutiert wird, muss also das Potential, eine Art höheren Wert in sich bergen, der über jeden Diskurs erhaben ist. Ein Gegenstand der Wahrnehmung, der dazu in der Lage ist, nennt man Kunst. Den anhängigen Diskurs dazu nennt man “Kultur”. DEPECHE MODE als Stellvertreter von Musik (man könnte sicherlich jede andere Band, jede andere Stilrichtung heranziehen) sind deswegen Künstler, weil das Potenzial eines Liedes und vermutlich all ihrer Lieder, Teil eines Diskurses, Teil der Kultur ist. Keine bahnbrechende Erkenntnis, natürlich, aber der entscheidende Gedanke ist die Rückführung zu dem, was polarisiert: Würde etwas nicht kunst- und gehaltvoll sein, dann würde es nicht polarisieren. Es ist ein Qualitätsmerkmal, unabhängig von dem Geschmack der Individuen, wenn etwas Menschen dazu anregt, sich in Hunderten von Statements dazu äußern zu wollen. Qualität bedeutet dann, dass etwas wichtig ist. Ob es gut ist, bleibt eine Frage des Geschmacks. (HEAVEN finde ich übrigens, ausgesprochen gut … ;-) )